Erwin Schaller, ein Wegbereiter der Gitarrenpädagogik
des
20. Jahrhunderts
Sein „Weg zur Gitarre“
Ein Musiker, der mit seinem Schaffen
einen entscheidenden Beitrag zu dieser Neuorientierung des Gitarrespiels
im 20. Jahrhundert getätigt hat, ist der Pädagoge, Komponist
und Gitarrist Erwin Schaller.
Erwin Schaller wurde am 9. Februar 1904 in Linz
an der Donau als jüngster Sohn von Georg Schaller (1859-1924) und
Mathilde Schaller geb. Bayr (1877-1958) geboren. Auf Wunsch seiner musikalischen
Eltern – der Vater spielte Violine und Gitarre (sein Instrument,
eine Gitarre von Johann Georg Stauffer vermachte sein ältester Sohn,
Georg Schaller (1900-1987) der Sammlung Alter Musikinstrumente Wien), die Mutter Klavier – erlernte Erwin Schaller Violine.
Nach der Volksschule (1910–1915)
besuchte Erwin Schaller die Realschule in Linz, die er mit der Matura
im Jahre 1922 abschloss. Mit dem Besuch der Lehrerbildungsanstalt endete
1923 seine Schulzeit in Linz.Ab dem Jahre 1915
lernte er an der Schule des Linzer Musikvereines – das spätere
„Bruckner-Konservatorium“ – Violine und belegt die Fächer
Harmonielehre und Kammermusik.
Im September 1923 inskribierte Erwin Schaller
an der Musikakademie in Wien. Er studierte Komposition bei Dr. Richard
Stöhr (1875-1967) und Franz Schmidt (1874-1939) sowie Violine bei
Franz Mairecker (1879-1950). Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1924
finanzierte er sein Studium in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit
mit Privatunterricht und als Substitut an der Wiener Staatsoper.
Bereits am 9. Mai 1925 legte Erwin Schaller seine
erste Staatsprüfung aus dem Fach Violine ab, am 28. Juni 1929 folgte
die Reifeprüfung im Fach Violine, und am 30 Juni 1929 die Reifeprüfung
in Komposition. Mit der Diplomprüfung in Violine am 16. Juni 1930
beendete er sein Studium an der Wiener Musikakademie.Da
er sämtliche Prüfungen mit Sehr gut
abgelegt hatte, erhielt er das Akademie-Diplom für außerordentliche
Begabung und Würdigkeit.
Danach folgte ein einjähriges Fortbildungsstudium
für Violine an der Musikhochschule Köln bei Hermann Zitzmann,
und ab dem Herbst 1931 war Erwin Schaller als Bratschist im „Grümmer-Quartett“,
in Bern (Schweiz).
„Der Einstieg als Berufsmusiker,
der erste selbstverdiente Frack und ein Studium der Musikwissenschaften
für ein Semester an der Universität in Bern waren das erfreuliche
Ergebnis dieses einjährigen Aufenthaltes“.
Die klassische Gitarre lernte Erwin
Schaller durch seinen Jugendfreund aus Linz – Karl Scheit (1909-1963)–
kennen. Karl Scheit hatte 1926 sein Gitarrestudium bei Jakob Ortner an
der Musikakademie begonnen, und bald entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit
der beiden Freunde - in einer Zeit, in der die Gitarre als eigenständiges
Soloinstrument noch nicht anerkannt war, es noch keine einigermaßen
akzeptierten stilistischen Richtlinien gab,
und die Gitarre in der allgemeinen Vorstellungswelt eng mit der Jugendbewegung
verknüpft war.
Beiden war bewusst, dass die Gitarre,
um wieder als Konzertinstrument in der Musikwelt anerkannt zu werden,
von ihrem weit verbreiteten Image, nur eine populäres Begleitinstrument
zu sein, befreit werden mußte.
Die jungen Musiker versuchten dies durch:
- Präsentation der Gitarre in öffentlichen Konzerten mit
künstlerisch wertvollen Programmen,
- Erweiterung des Repertoires
- Die Etablierung der Gitarre in musikalischen Institutionen
Mit der Zielsetzung, der Gitarre ein
neues Repertoire zu erschließen, entstanden in den Jahren 1928 bis
1930 viele Bearbeitungen für Violine und Gitarre, die von Erwin Schaller
und Karl Scheit - die als Duo Schaller-Scheit
auftraten - in ihren Konzerten gespielt wurden. In einem Sammelband aus
dem Jahre 1928 finden sich z. B. unter anderem Bearbeitungen folgender
Werke für diese Besetzung: R. Schumann: Täumerei;
L. Boccherini: Minuetto; Sarasate: Zigeunerweisen, Mouzkowsky: Spanische Tänze; J.
S. Bach: Andante; F. Kreisler: Rondino, J. P Cartier.: La chasse, J. Brahms:
Wiegenlied.
Im selben Jahr entstand auch eine Eigenkomposition
von Erwin Schaller für diese Besetzung mit dem Titel Rhapsodie
für Violine und Gitarre.
Nach einer gelungenen Präsentation
der Gitarre als Continuoinstrument an der Akademie für Musik wurden
Scheit und Schaller von Alexander Wunderer, dem damaligen Leiter der Bachgemeinde
Wien, zu einem Konzert eingeladen. Somit war ein Ziel, nämlich die
Gitarre und ihre Möglichkeiten in etablierten Institutionen zu präsentieren,
erreicht.
Wann Erwin Schaller sich mit dem Gitarrespiel
zu beschäftigen begann kann man heute nicht mehr genau feststellen.
Fest steht, dass Ende der 20er Jahre und zu Beginn der 30er Jahre viele
Bearbeitungen und Einrichtungen bekannter Solowerke für Gitarre entstanden
sind. Die Bearbeitungen dieser schwierigen Konzertstücke lassen auf
eine fundierte Sachkenntnis und Beherrschung des Instruments schließen.
So entstanden unter anderem Bearbeitungen von J. S. Bachs Suite e-moll
(BWV 996) und der Suite E-Dur (BWV 1006a), letztere interessanterweise in einer Transposition nach
D-Dur. Neben Bearbeitungen von Werken der klassischen Komponisten F. Sor
(Mozartvariationen, op. 9) und M. Guiliani
(Sonate C-Dur, op. 15) findet man auch eine Übertragung der Suite in D-moll von Robert de Visée und Einrichtung der Tremoloetüde Recuerdos
de la Alhambra von F. Tarrega.
Wie eingehend sich Schaller auch mit
den Kompositionen der klassischen Gitarristen auseinandersetzte, kann
man daran erkennen, dass im Jahre 1936 beim Heinrich Hohler Verlag, Karlsbad
fünfzehn Etüden aus den Etüden
op. 60 von F. Sor in einer Bearbeitung von Erwin Schaller erschienen.
Dieses Heft war so erfolgreich, dass im Jahr 1937 schon eine zweite Auflage
aufgelegt werden musste.
Die intensive Beschäftigung mit
der Sologitarre spiegelt sich auch in seinem kompositorischen Schaffen
wider. Beeinflusst von den Werken J. S. Bachs entstanden in dieser Zeit
unter anderem die Sonate e-moll und der
Cantus phrygicus (Cantus). Dieser wurde
von Erwin Schaller in das Programm seiner Reifeprüfung im April 1933
mit einbezogen.
Diese Prüfung war Voraussetzung für eine Bewerbung
als Pädagoge an seiner ehemaligen Schule, der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt
in Linz. Wahrscheinlich wurde er von seinem Freund Karl Scheit, der zu
dieser Zeit bereits einen Lehrauftrag an der Akademie für Musik in
Wien innehatte, auf diese Prüfung vorbereitet. Am 12. Juni 1933 legte
Schaller als Externist die Reifeprüfung, und am 30. Juni 1933 die
Staatsprüfung im Fach Gitarre bei Prof. Jakob Ortner an der Musikakademie
in Wien ab
Wird fortgesetzt
Kurze Entwicklungsgeschichte der Gitarre
(Renaissance - Barock - Klassik)
RENAISSANCE
Die Welt zwischen Laute und Vihuela
Die Renaissance (Wiedergeburt) war kulturgeschichtlich
das Zeitalter der Wiederentdeckung von klassischen, vor allem griechischen
und römischen Idealen. Der Mensch als Individuum stand nun im Mittelpunkt
des Denkens; Philosophie, Dichtkunst, darstellende Kunst und vor allem
die Architektur bedienten sich zahlreicher antiker Vorbilder. Für die Entwicklung der westeuropäischen
Musik war die Renaissance eher eine Epoche des Aufbruchs und einer Neuorientierung
vor dem Hintergrund einer allgemeinen Umstrukturierung der Gesellschaft.
Lag die Musik bislang ausschließlich in der Hand der Kirche und
des Klerus, so bedeutete nicht zuletzt die Erfindung des Buchdrucks durch
den Nürnberger Johannes Gutenberg
im Jahre 1455 einen entscheidenden Durchbruch für die Verbreitung
von Musik. Die niederländische Schule um Josquin de Près, Orlando di Lasso und Adrian Willaert hatte einen völlig neuen
Stil von polyphoner Vokalmusik geprägt, die wegbereitend für
die gesamte europäische Musik werden sollte.
Die Laute zählte im 16. Jahrhundert zu den vornehmsten
und geschätztesten Musikinstrumenten überhaupt, entsprach sie
doch durch ihre spieltechnische Vielseitig-keit ganz dem neuen Klangideal:
einer Mischung aus strenger Satztechnik, Polyphonie, ausdrucksvollem Linienspiel
und variantenreichem Laufwerk. So entstanden vermutlich um 1500 gleich
mehrere verschiedene Griffbilder für die Laute – Tabulaturen,
die das Klangbild des jeweiligen Stückes auf die Fingerpositionen
der linken Hand reduzierten und somit verschlüsselten: Tonart, Charakter
eines Stückes, Länge der Notenwerte, Pausen und polyphone Stimmverläufe
konnten dementsprechend nur von einem erfahrenen Lautenisten umgesetzt
und interpretiert werden. Trotz dieser Nachteile konnte die Tabulatur
als solche weiterleben – als Lautennotation bis zum Ende des Barockzeitalters
und als Gitarrennotation ist sie in Rock- und Folkmusik heute wieder aktueller
denn je. Die älteste Tabulaturform war vermutlich die italienische,
die gleichzeitig auch von den spanischen Vihuela - Komponisten benutzt
wurde. Sie bestand aus sechs Linien – die sechs Saiten, wobei die
höchste Saite als unterste Linie erschien – und Zahlen, die
die jeweiligen Bünde auf der entsprechenden Saite darstellten. Gleichzeitig
entstand in Deutschland die abstrakteste aller Tabulaturschreibweisen,
die jeden Kotenpunkt des Griffbretts einzeln codierte und so manchen Spieler
erschreckt haben muss! Auch die französischen Lautenisten schufen
eine eigene Tabulatur: sechs Linien auch hier, diesmal mit der obersten
Linie für die höchste Saite und anstelle der Zahlen lateinische
Buchstaben. Ein „a“ stand für eine leere Saite, ein „b“
für den ersten Bund. Diese französische Tabulatur wurde bald
auch von den Engländern übernommen und überlebte als einzige
Form bis ca. 1760. Der Rhythmus wurde bei allen Varianten über der
Tabulatur in Form von „Mensuralzeichen“ dargestellt, während
die Taktstriche direkt in das Tabulaturbild gesetzt wurden.
Luys Milans Lebensdaten
sind nicht genau bekannt und lassen sich nur anhand seiner Veröffentlichungen
zeitlich eingrenzen. Im Jahre 1536 erschien in Valencia „El Maestro“
als erste gedruckte Sammlung von Kompositionen für die spanische
Vihuela. Dieses Instrument besaß einerseits die doppelsaitige, sechschörige
Stimmung der Laute, war aber in ihrer äußeren Form eher den
Violeninstrumenten verwandt: die „vihuela de mano“, wie die
exakte Bezeichnung lautete, war sehr leicht gebaut mit flachen Zargen
(Korpusseiten) und flachem, zweigeteiltem Boden. Sie hatte als nicht den
birnenförmigen, typischen „Bauch“ der Laute, die als
das maurische Musikinstrument im gerade befreiten Spanien eher verhasst
war.
Milans Buch war als Sammlung und Lehrbuch zugleich gedacht, es enthält
genaue Anleitungen zur Spieltechnik und die enthaltenen Stücke sind
nach Schwierigkeitsgrad angeordnet. Neben insgesamt 40 Fantasien finden
sich 6 Pavanen im italienischen Stil,
4 Tentos – polyphon und virtuos angelegt wie die Fantasien –
und Vihuela- begleitete Lieder in Spanisch, Italienisch und Portugiesisch.
Zwei Jahre nach Luys Milan erschienen die 6 Bücher mit Werke für
Vihuela von Luys de Narvaez, die unter anderem die ersten gedruckten Variationswerke überhaupt
enthalten. Seine Transkription des Vokalsatzes „Mille regrets“
von Josquin zählt zu den gelungensten
Intavolierungen (Bearbeitung eines Vokalwerkes zum instrumentengerechten
Viuelasatz) der Zeit.
1546 folgte in Sevilla die Veröffentlichung von 3 Büchern mit
Vihuelawerken Alonso Mudarras, die neben 27 Fantasien, Tientos und
Pavanen auch weitere Intavolierungen von
Josquinsätzen enthalten. Seine Fantasie
Nr. 10 gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten und überraschendsten
„Kabinettstückchen“ der Renaissance. Sie soll das Harfenspiel
eines gewissen Luduvico imitieren, der
ganz offensichtlich eine frühe Vorliebe für subtile Dissonanzen
und harmonische Querstände hatte, die seinem Spiel aber jenen speziellen
Reiz verlieh, wie man ihn in Mudarras Fantasie ab Takt 61 erleben kann.
Die Fantasie war ursprünglich im 2/4 Takt notiert und die Tabulatur
belegt für die einleitenden Läufe eigentlich konventionelle
Skalenfingersätze ohne campanella – Effekt.
John Dowland war nicht
nur einer der größten Lautenisten seiner Zeit, er war neben
William Byrd und Thomas Morley einer der bedeutendsten Vokal- und Instrumentalkomponisten im „golden
age“ Englands. Einige seiner Lieder waren so populär, dass
sie in den Werken William Shakespeares auftauchten und zitiert wurden.
Er wirkte als Lautenist am Hofe von Königin Elisabeth I., aber auch
beim dänischen König Christian IV. Er war in seinen frühen
Jahren in Paris, in Deutschland und Italien gewesen und hatte auf diese
Weise zahlreiche Strömungen und Formen kennengelernt und in sein
eigenes Schaffen einfließen lassen. Neben seinen bedeutenden 3
Books of songs (1597, 1600, 1603) und seiner berühmten Sammlung von fünfstimmigen
Sätzen für Gambenkonsort „Lachrimae or seaven tears“
sind es aber doch die große Zahl einzigartiger Lautenkompositionen,
die seine musikalische Vielseitigkeit und sein Genie belegen. Seine motettenartig
gestalteten Fantasien, einige davon über chromatische Themen, stellen
einen absoluten Gipfel des Lauten- repertoires dar. Die meisten seiner
Solowerke sind jedoch Tanzsätze, wie sie am Hofe üblich waren
– zahlreiche Pavanen, Almains und Galiarden, meist in der 3-teiligen
Form mit jeweiliger Variation, wie sie als sogenannte „Estampie“
damals in ganz Europa verbreitet war.
BAROCK
Die Hochblüte
der Barockgitarrre
Nach der enormen Blüte von Laute und Vihuela bis
zu Beginn des 17. Jahrhunderts verloren beide Instrumente mit Beginn der
neuen Ästhetikvorübergehend an Bedeutung. Vor allem als Soloinstrument
für die Darstellung von kunstvoll kontrapunktischen und reich ornamentierten
Sätzen gewannen zunehmend Tasteninstrumente wie Spinett, das Virginal
(in England) und später das Cembalo an Terrain. Als Begleitinstrument
für den immer wichtiger werdenden monodischen Stil (Monteverdis „seconda
prattica“), also continuobegleitete Melodie waren weiterhin Lauteninstrumente
im Einsatz. In Italien und Frankreich waren vor allem Chitarrone und Theorbe
(großmensurierte, einzelsaitig bespannte Basslauten mit zusätzlichen
Bordunsaiten) als Continuoinstrumente zunehmend verbreitet.
Gleichzeitig erlebte ein anderes Zupfinstrument in Spanien, Italien und
später in Frankreich eine einzigartige Hochblüte: die Barockgitarre.
Schon im 16. Jahrhundert hatten in Spanien und Frankreich 4-chörige
Vihuelavariationen existiert, welche man üblicherweise als „guitarra“
ezeichnete. Diese frühe, kleine Gitarre galt als Volks- und Begleitinstrument
von weniger hohem Wert als die Vihuela, auch wenn Komponisten wie Mudarra,
Fuenllana und Le Roy Werke für das vierchörige Instrument schufen.
Mudarra empfahl auch bereits die beiden Saiten des 4. Chores im Abstand
einer Oktave einzustimmen, um das Klangspektrum der Gitarre zu bereichern.
Genau 50 Jahre später, im Jahre 1596 erschien Joan Carlos Amats Beschreibung
der „Spanischen Gitarre mit fünf Chören“, von denen
nun die 4. und 5. Saite im Oktavenabstand oder gar beide hoch gestimmt
werden sollten. Damit war nun erstmals jene Gitarre definiert, die bis
ins 18. Jahrhundert hinein in Spanien, Italien und Frankreich seit verbreitet
war und die uns von zahlreichen Bildern und Zeichnungen Antoine Watteaus
vertraut ist: die Barockgitarre.
Gaspar Sanz (1640 - 1710), Francisco
Guerau (Spanien), Ludovico Roncalli, Francesco Corbetta, Henry Grenerin
(Paris, um 1680) und schließlich Robert de Visée schrieben neben vielen anderen Komponisten Suiten und Einzelsätze,
die nach wie vor als Tabulaturen – italienische und französische
– gedruckt werden
Verfeinert waren diese Tabulaturen durch Akkordsymole, die in regelrechten
Grifftabellen erklärt waren (Alfabettos) sowie zahlreiche Verzierungszeichen.
Paradoxerweise ist die Musik dieser Epoche auf der modernen Gitarre nur
schwer zu reproduzieren. Die Ursachen hier für liegen in der zuvor
erläuterten Stimmung der beiden „Basssaiten“, die für
einen ganz speziellen Linienverlauf auf der Barockgitarre verantwortlich
war, wie er in der Gitarrenstimmung nahezu unmöglich ist.
In Deutschland entwickelten die Lautenisten und Instrumentenbauer ausgehend
von früheren Renaissancelauten ein größeres Instrument
in einer modifizierten, neuen Stimmung mit bis zu 8 zusätzlichen
Bordunsaiten: die Barocklaute in d-Moll-Stimmung (von oben nach unten:
f’ –d’ –a – f – d – A, zuzüglich
der genannten Bordunsaiten, je nach Tonart diatonisch abwärts). Für
dieses schwierig zu beherrschende Instrument schrieb Johann Sebastian
Bach mehrere Suiten und Einzelsätze, von denen 4 Suiten und das Triptychon
Prelude, Fugue & Allegro nachweislich überliefert sind, teils als Autographe des Thomaskantors,
teils als Intavolierunen aus den Händen zeitgenössischer Lautenisten.
Ganz selbstverständlich waren bereits zu jener Zeit die Transkriptionen
von Instrumentalwerken für ein anders Instrument unter Berücksichtigung
spezifischer Klangmöglichkeiten des ursprünglichen wie des neuen
Instruments. Bach selbst transkribierte eigene Werke und die seiner Zeitgenossen,
um die Musik den jeweils verfügbaren Besetzungen anzupassen. Dieser
Tradition entsprechend transkribieren bis heute Gitarristen ganze Violin-,
Cello- und Cembalowerke von Bach. Die Sarabande aus der ersten Partita
(Suite) für Violine solo, komponiert in Köthen um das Jahr 1720
herum, war einer der ersten Sätze, die von Gitarrensolisten wie Miguel
Llobet, Augustin Barrios oder Andres Segovia häufig gespielt wurden.
Sylvius Leopold Weiss galt als einer der
letzten großen Lautenmeister überhaupt. Nur ein Jahr jünger
als Bach, hatte er in zahlreichen deutschen Städten gewirkt und war
offensichtlich mit ach persönlich zusammengetroffen. Dennoch ist
seine Musik eine deutlich andere als die bis ins Detail stets von Kontrapunkt,
Form und inneren Proportionen und Stuktur her ausgereiften Werke des Leipziger
Kantors. Weiss galt als einzigartiger Meister der freie Fantasie, der
Improvisation. Der Tombeau für den 1721 verstorbenen Lautenisten Johann Anton Logy belegt
sein großes Ausdrucksvermögen in zahlreichen Affekten: Dissonanzen
voller Leid, Seufzermotive, demutsreiche Orgelpunkte, klagend fallende
Chromatik (Lamento) und gegen Ende die Geste der Hoffnung, eine steigende
Chromatik, die das Aufsteigen der Seele des Verstorbenen in den Himmel
symbolisiert (Himmelsleiter).
KLASSIK
Schon gegen Ende der Barockzeit favorisierten zunehmend
Komponisten den aus Italien stammenden melodiebetonten Stil der Monodie.
Im Kontrast zum streng kontrapunktischen polyphonen Satz mit möglichst
vielen, gleichberechtigten Stimmen stand von nun an eine Hauptstimme,
die Melodie eindeutig im Mittelpunkt. Ihre Entwicklung und Modulation
in benachbarte Tonarten bestimmten die Form: Vier-, acht- und sechzehntaktige
Perioden wurden zu festen Formeln. Alle weiteren Elemente dienten der
harmonischen Stütze und Untermalung der Begleitung. Der Themendualismus
der klassischen Sonate oder Sinfonie (Sonatenhauptsatzform) wurde als
ideale Ausdrucksform entwickelt und die dreisätzige Sonate in der
Tempoabfolge schnell – langsam – schnell verdrängt die
barocke Suite auf lange Zeit. Parallel zu diesem gravierendem Richtungswechsel
in Stil, Form und musikalischer Gestaltung wurden auch neue Instrumente
geschaffen und alte den Erfordernissen und dem Zeitgeschmack entsprechend
weiterentwickelt. Für die Gitarre vollzog sich diese Stufe der Anpassung
und Weiterentwicklung leider mit etwa 30-jähriger Verzögerung.
Mit Ernst Gottlieb Baron (gest. 1760) und
Adam Falckenhagen (gest. 1761) waren die
„letzten Lautenspieler“ gestorben und mit ihnen eine ganze
Generation von Meistern eines nun ausgedienten Instruments.
Stattdessen gelangte im Jahre 1788 mit Herzogin Anna Amalia die erste Gitarre von Italien nach Weimar. Dort fertigte der Geigenbauer
Jakob August Otto zahlreiche Kopien dieses
noch fünfsaitigen Instruments an, später jedoch auch die nun
in Mode kommenden sechssaitigen Gitarren. 1792 hatte der aus Neapel stammende
Federico Moretti in Madrid die erste wichtige
Schule für die sechssaitige Gitarre veröffentlicht; das Instrument
hatte damit nun endlich die bis heute übliche Stimmung und mit der
Beschränkung auf Einzelsaiten waren die Ausdrucksmöglichkeiten
im Sinne der klassischen Ästhetik geschaffen, wenn auch mit großer
Verspätung.
Der bedeutendste Gitarrist, Komponist und Pädagoge des frühen
19. Jahrhunderts war der Katalane Ferdinand Sor (geb.
1778 in Barcelona). Er wurde im berühmten Kloster von Monserrat ausgebildet.
Mit 19 schrieb er seine erste Oper, ging 1813 nach Paris, zwei Jahre später
nach London, wo viele seiner berühmtesten Gitarrewerke entstanden.
1823 folgten Konzertreisen nach Moskau, Berlin, Leipzig, Warschau und
St. Petersburg. 1826 kehrte er zurück nach Paris, wo er bis zu seinem
Tode 1839 lebte.
Neben Paris wurde Wien immer mehr zu einem Zentrum für Gitarrenmusik
jener Zeit. Franz Schubert besaß
und spielte eine Gitarre von Johann Georg Stauffer,
doch leider existiert nur ein Werk Schuberts mit Gitarrenbegleitung. Der
große Gitarrenvirtuose Wiens war jedoch der Italiener Mauro Giuliani, dessen brillantes Spiel vermutlich annähernd große Verblüffung
erzielt haben muss, wie einige Jahre später das diabolische Geigenspiel
seines Landsmannes Niccolo Paganini. Giuliani wurde 1781 in Bisceglie bei Bari im Süden Italiens
geboren. Kaum 25 Jahre alt, ließ er sich als Cellist und Gitarrist
in Wien nieder. In Folge diverser materieller und privater Probleme verließ
er 1819 Wien. Giuliani
starb am 8. Mai 1829 in Neapel.
Matteo Carcassi stammte aus Florenz, lebte jedoch seit 1820 als
Gitarrist, Lehrer und Komponist in Paris. Dort begegnete er in den folgenden
Jahren seinen Kollegen Ferdinando Carulli und Dionisio Aguado, mit
dem Ferdinando Sor mehrere Konzerte als Gitarrenduo gab.
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